Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Warum dieses Thema aktuell wichtig ist
Seit Anfang 2025 sorgt eine Änderung in den AGBs der Shopware 6 Community Edition für Aufsehen: Unternehmen, die mit dieser Edition arbeiten und mit ihrem Onlineshop einen jährlichen Gross Merchandise Value (GMV) von über 1 Million Euro erzielen, sollen zukünftig auf kostenpflichtige Shopware-Pläne wie Rise, Evolve oder Beyond umsteigen. Auch die p17 GmbH ist von dieser Änderung betroffen und beschäftigt sich deshalb intensiv mit der Frage:
Was genau ist eigentlich der GMV – und worin unterscheidet er sich vom klassischen Umsatz?
Diese Frage ist nicht nur für Shopware-Nutzerinnen und -Nutzer relevant, sondern für alle, die im E-Commerce tätig sind. Denn die richtige Interpretation dieser Kennzahlen ist essenziell, um finanzielle Entscheidungen fundiert zu treffen, Lizenzmodelle richtig einzuordnen – und um mögliche Missverständnisse mit Partnern, Investoren oder Anbietern wie Shopware zu vermeiden.
Was ist der Gross Merchandise Value (GMV)?
Der Gross Merchandise Value, kurz GMV, beschreibt den Gesamtwert aller über eine Plattform oder einen Shop verkauften Waren und Dienstleistungen, unabhängig davon, ob die Plattform selbst diese Umsätze erzielt oder nicht. Es geht also um das Brutto-Handelsvolumen, das ein Shop generiert – inklusive aller Gebühren, Provisionen oder auch Retouren (je nach Definition).
Wichtig: Der GMV ist nicht identisch mit dem tatsächlichen Umsatz eines Unternehmens. Er ist vielmehr eine maßgebliche Kenngröße zur Bewertung der Geschäftstätigkeit, vor allem im E-Commerce und SaaS-Bereich.
Beispielhafte Bestandteile des GMV:
- Verkaufspreise sämtlicher Produkte/Dienstleistungen im Shop
- Auch Partnerprodukte oder Dropshipping-Artikel
- Einnahmen vor Abzug von Werbekosten, Zahlungsgebühren, Steuern oder Provisionen
Was ist Umsatz?
Der Umsatz eines Unternehmens bezeichnet die Summe aller Erlöse, die durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen erzielt wurden, abzüglich möglicher Fremdleistungen oder durchlaufender Posten. In der klassischen Buchhaltung ist der Umsatz das, was am Ende in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) steht – also die Basis für die Berechnung von Gewinn, Steuerlast und Liquidität.
Wichtige Merkmale des Umsatzes:
- Netto-Betrag (ohne Mehrwertsteuer)
- Abzüglich etwaiger Rabatte, Rückerstattungen, Werbekosten, etc.
- Nur die tatsächlich eigenständig erzielten Einnahmen des Unternehmens zählen
GMV vs. Umsatz – die Unterschiede im Überblick
Kriterium | GMV (Gross Merchandise Value) | Umsatz (Revenue) |
---|---|---|
Definition | Bruttowarenwert aller über die Plattform verkauften Artikel | Tatsächliche Erlöse des Unternehmens |
Abzüge | Keine Abzüge – alles wird einbezogen | Abzüge für Retouren, Rabatte, Werbekosten etc. |
Aussagekraft | Eher Kennzahl für Geschäftstätigkeit und Wachstum | Relevante Größe für Bilanzierung und Besteuerung |
Relevanz für Plattformen | Bewertet das Handelsvolumen eines Systems | Bewertet die wirtschaftliche Leistung des Unternehmens |
Beispiel Plattform-Shop | Alle über den Shop verkauften Artikel (auch Marketplace-Verkäufe) | Nur die Provision oder Marge bei Verkäufen |
Praxisbeispiel: Die p17 GmbH
Schauen wir uns den Unterschied am Beispiel der p17 GmbH an, die unter anderem die Software easymap professional vertreibt.
Szenario:
Die p17 GmbH verkauft:
- Drei Lizenzen von easymap professional
- Jedes Paket deckt die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz ab
- Preis pro Lizenzpaket: 2.400,00 € netto / Jahr
Zudem entstehen jährliche Google Ads Kosten in Höhe von 200,00 €
Berechnung des GMV:
Der GMV berechnet sich ohne Berücksichtigung der Werbekosten:
3 Pakete × 2.400 € = 7.200 € GMV
Google Ads werden bei der GMV-Berechnung nicht abgezogen, da der GMV den Gesamtwert der Verkäufe widerspiegelt, unabhängig vom Aufwand.
Berechnung des Umsatzes:
Da p17 selbst Anbieter der Lizenzen ist, entsprechen die Umsätze in diesem Fall grundsätzlich dem Nettoverkaufswert – abzüglich Werbekosten (sofern man den Umsatz als betriebswirtschaftlich bereinigte Kennzahl betrachtet):
7.200 € Umsatz – 200 € Google Ads = 7.000 € betriebswirtschaftlich relevanter Umsatz
Wichtig: In der Buchhaltung würde der Umsatz dennoch mit 7.200 € geführt werden – die Werbekosten erscheinen dann als separate Aufwendungen.
Bedeutung im Kontext der Shopware AGBs
Nun wird klar, warum Shopware den GMV zur Grundlage für seine neue Fair Usage Policy macht: Die Plattform möchte nicht den buchhalterischen Gewinn bewerten, sondern die geschäftliche Aktivität eines Shops.
Shopware AGB zusammengefasst für die GMV-Änderung zusammengefasst:
Bei einem GMV unter 1 Mio. € pro Jahr:
- Keine Änderungen für Nutzer der Community Edition
Bei einem GMV über 1 Mio. € pro Jahr:
- Unternehmen sollen auf einen kostenpflichtigen Plan umsteigen
- Alternativ ist die Nutzung weiter erlaubt – aber ohne Zugriff auf Shopware Account und Store
Das heißt: Auch wenn ein Unternehmen hohe Werbekosten, Retouren oder geringe Margen hat und damit real weniger Umsatz macht, entscheidet der GMV allein über die Einstufung durch Shopware.
Vorteile und Kritik an der GMV-Logik
Vorteile des GMV-Modells:
- Einfache Vergleichbarkeit von Shops
- Klare Regelungen für die Plattform
- Fokus auf Aktivität statt Buchhaltung
Kritikpunkte:
- Verzerrte Realität bei geringen Margen
- Shops mit vielen Fremdprodukten (z. B. Dropshipping) zahlen trotz geringem Gewinn
- Keine Berücksichtigung von Retouren oder Stornos
- Anbieter mit hohen Werbekosten (z. B. Google Ads) benachteiligt
Warum Du beide Kennzahlen kennen solltest
Der GMV ist eine wichtige E-Commerce-Kennzahl, die das Marktvolumen misst – der Umsatz hingegen ist für die finanzielle Unternehmensführung entscheidend.
Gerade bei Änderungen wie denen von Shopware ist es wichtig, den Unterschied zu kennen. Die p17 GmbH empfiehlt daher, regelmäßig beide Werte zu analysieren, insbesondere:
- Zur internen Bewertung von Geschäftsmodellen
- Zur Auswahl passender Lizenzmodelle (z. B. bei Shopware, Shopify, etc.)
- Zur Kommunikation mit Investoren, Partnern und Kunden
Nächste Schritte für Shopbetreiber
- GMV berechnen und prüfen, ob man unter der 1-Million-Euro-Grenze bleibt
- Bei Bedarf mit Shopware Kontakt aufnehmen – es werden individuelle Lösungen angeboten
- Alternativen evaluieren (z. B. Shopware Rise, Evolve, Beyond)
- Finanzkennzahlen regelmäßig analysieren und dokumentieren
Abschließend ein weiteres Beispiel: Verkauf von hochpreisigen Fernsehern mit niedriger Marge
Angenommen, ein E-Commerce-Unternehmen verkauft Fernseher über einen Shopware-Onlineshop.
Verkaufsdetails:
- Verkaufspreis pro Fernseher: 2.000,00 € (netto)
- Verkaufte Stückzahl: 1 Fernseher pro Monat → 12 Fernseher pro Jahr
- Marge pro Fernseher: 4 % → 80,00 € Gewinn je Gerät
- Werbekosten (z. B. Google Ads): 12,00 € monatlich → 144,00 € pro Jahr
Berechnung: GMV
Der Gross Merchandise Value berechnet sich rein auf Basis des Verkaufspreises, also vor jeglichen Kosten oder Marge:
12 Fernseher × 2.000 € = 24.000 € GMV
Shopware würde diesen Wert zur Einstufung heranziehen.
Berechnung: Umsatz und Deckungsbeitrag
Variante 1: Rechnungslegungstechnisch (Umsatz aus Verkauf)
Wenn das Unternehmen selbst Eigentümer der Ware ist und sie verkauft, zählt der volle Verkaufspreis zum Umsatz – die Kosten (z. B. Einkaufspreis, Werbung etc.) sind dann separat als Aufwand zu verbuchen:
- Umsatz: 24.000 €
- Kosten (z. B. Einkauf, Werbung etc.): ~23.040 €
- Deckungsbeitrag: 960 € brutto – 144 € Werbekosten = 816 € Rohertrag
Variante 2: Plattform-Modell (Provision)
Wird der Fernseher z. B. über eine Plattform mit 4 % Marge verkauft (Marketplace-Modell), dann ergibt sich:
- GMV: 24.000 € (Warenwert über den Shop)
- Umsatz: 4 % Provision von 24.000 € = 960 € Jahresumsatz
- Werbekosten: 144 €
- Nettoergebnis: 816 € (wie oben)
Vergleich GMV vs. Umsatz:
Kennzahl | Betrag | Erläuterung |
---|---|---|
GMV | 24.000 € | Gesamtwert aller Verkäufe im Shop |
Umsatz (Plattform) | 960 € | 4 % vom GMV (typisch bei Dropshipping, Vermittlung) |
Betriebsgewinn | 816 € | Marge minus Werbekosten |
Fazit zum Beispiel:
Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll:
- Ein Unternehmen kann einen sehr hohen GMV erzielen – in diesem Fall 24.000 € –, obwohl der eigentliche Umsatz (Marge) bei unter 1.000 € liegt.
- Auch mit einem Deckungsbeitrag unter 1.000 € jährlich wird das Unternehmen durch die Shopware-AGB-Regelung über 1 Mio. € GMV (ab 500 Geräten jährlich) als Großkunde behandelt.
- Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch die Kosten, der Gewinn oder die Marge sind.
Rechenbeispiel bei 500 verkauften Fernsehern pro Jahr:
- GMV = 500 × 2.000 € = 1.000.000 €
- Umsatz bei 4 % Marge = 40.000 €
- Nach Werbung (1.728 € Google Ads): Gewinn = 38.272 €
→ Nach Shopware-Definition ist dieses Unternehmen „über 1 Mio. GMV“ – obwohl es real wirtschaftlich noch in kleinem Rahmen arbeitet.
Warum diese Beispiele so wichtig sind
Gerade für kleine und mittlere Händler mit hochpreisigen Produkten und geringer Marge bedeutet die neue GMV-Grenze von Shopware potenziell einen Wechsel in ein kostenpflichtiges Modell – auch wenn der tatsächliche Gewinn bescheiden ist.
Das kann in der Praxis bedeuten:
- Shopware stuft einen Händler als „groß“ ein
- Der Händler muss in einen teureren Plan wechseln, obwohl das Netto-Geschäftsvolumen gering ist